Vielleicht könnte man dem 52er Vignale-Spyder auf Basis der Ferrari 225 S ja vorwerfen, dass er ein paar Jahre zu spät kam. Schon 1948 hatte Touring mit der legendären «Barchetta» auf Basis des Ferrari 166 MM einen Pflock für die Ewigkeit eingeschlagen, der Welt gezeigt, wie ein sportliches, offenes Automobil auszusehen hat, dann, jetzt und überhaupt für immer. Andererseits, wie sollte ein sportliches, offenes Automobil denn sonst aussehen, Reduktion auf das Wesentliche und damit auf die wahrhafte Schönheit. Das gilt in diesem Sinne sicher auch für den Spyder von Vignale, auch wenn dieser etwas mehr Schmuck trägt als die Touring-Barchetta, etwa die drei so typischen «Bullaugen» auf den vorderen Kotflügeln (die übrigens gar nicht so oft verwendet wurden von Vignale), ein kleiner Knick in der Hüfte (den auch Pininfarina gerne anbrachte – später…). Doch ansonsten: die reine Lehre, form follows function, gerade Linien, die harmonisch in die Rundungen übergehen. Nichts ist zu viel, so soll, so muss es sein. Mit einem Radstand von nur gerade 2,25 Metern ist der Ferrari auch winzig; das Gewicht wird bei diesem Spyder mit 850 Kilo angegeben.
850 Kilo? Hier kommt jetzt ein Name ins Spiel, der im Verlauf der Geschichte irgendwie vergessen ging. Gilberto Colombo, nicht verwandt mit Gioachino Colombo, hatte die Firma seines Vaters übernommen und sich einen guten Namen gemacht in der Herstellung von Rohren. Kurz nach dem 2. Weltkrieg wandte er sich an Enzo Ferrari, der im Krieg Webstühle hatte herstellen müssen, und bot ihm seine Dienste an. Bloss, Ferrari wollte keine Webstühle mehr bauen, sondern: Sportwagen. Colombo meinte, seine Firma Gilco könne Ferrari auch eine Rohrrahmen-Konstruktion liefern, zu einem günstigen Preis. Da wurde «il Commendatore» sofort hellhörig, Geld war für ihn immer ein zentrales Thema, und so wurden sie sich schnell einig. Innert weniger Tage lieferte Gilco tatsächlich ein Chassis nach den Vorgaben von Ferrari – das allerdings 53 Kilo wog. Ferrari wollte es leichter, Gilco lieferte es leichter – und für die nächsten zehn Jahre verfügteb fast alle Ferrari über einen von Gilberto Colombo entwickelten und gebauten Unterbau. Das Geheimnis der Gilco-Konstruktionen bestand unter anderem darin, dass er die Rohre oval und an bestimmten Stellen etwas voluminöser ausrichtete; mit einem ähnlichen Ansatz entwickelte er auch für Cologna die berühmten Fahrrad-Rahmen. Ein weiterer Vorteil der Gilco-Rahmen war, dass sich die Karosserieteile teilweise direkt anbringen liessen – was der Handwerkskunst von Vignale besonders zugute kam. Es sind diese Gilco-Konstruktionen folglich keine wirklichen Kastenrahmen, wie in der Literatur über frühe Ferrari oft zu lesen ist.
Der Ferrari 225 S war weniger der Nachfolger als mehr die logische Weiterentwicklung des 212 Export, der Hubraum war auf 2715 ccm3 angewachsen (deshalb auch die Bezeichnung). Und die Motorenleistung betrug mit drei Weber-36DCF-Doppelvergasern beachtliche 210 PS. Das reichte dann auch für einige Rennerfolge, darunter jenen legendären Fünffach-Sieg beim Grossen Preis von Monaco, der in jenem Jahr als Sportwagen-Rennen ausgetragen worden war. Ansonsten waren die Ferrari jener Jahre doch noch relativ simple Gefährte, Starrachse hinten (vorne waren es Doppeldreieckslenker), gebremst wurde selbstverständlich noch über Trommeln. Vom 225 S entstanden (wahrscheinlich) 22 Exemplare, 19 (oder 20) davon wurden von Vignale eingekleidet (nach unserer Zählung 13 (oder 14) Spyder, 7 Coupé). Das sieht dann so aus: