Das Formel-1-Reglement für 1954/55 erlaubte Motoren von höchstens 2500 cm³ ohne Aufladung oder 750 cm³ mit Kompressor, was einer Halbierung der bisherigen Größen entsprach (4,5-Liter-Saugmotoren). Fritz Nallinger, Vorstandsmitglied für Konstruktion und Entwicklung, sowie Rudolf Uhlenhaut als Leiter des Versuchs gaben, wie alle Mitbewerber, dem 2500-cm³-Saugmotor den Vorzug. Gebaut wurde ein Reihen-8-Zylinder, der in zwei Vierzylinderblöcke geteilt war und die Kraft in der Mitte abgab, um ein übermäßiges Verwinden einer extrem langen Kurbelwelle zu vermeiden. Zur Minimierung von Reibungsverlusten liefen die Kolben in Chrombuchsen und die Wellen waren rollengelagert. Auf Ventilfedern wurde zugunsten einer aufwendigen Desmodromik (Zwangssteuerung) verzichtet, was den Motor drehzahlfester machte.
Mercedes-Benz W 196 MonopostoNeu war die Benzin-Direkteinspritzung des W 196, eine Technik, die vorher fast ausschließlich in Diesel- und in Flugmotoren angewandt wurde. Ingenieur Hans Scherenberg, der bei Daimler-Benz an der Entwicklung des ersten Diesel-Pkws und u. a. an der Konstruktion des Motors für das Kampfflugzeug Messerschmitt Bf 109 beteiligt war, hatte nach dem Krieg das Werk verlassen müssen. 1948 war Scherenberg bei dem Kleinwagenhersteller Gutbrod als Technischer Direktor eingetreten, wo er gemeinsam mit Karlheinz Göschel und in Zusammenarbeit mit Bosch die Einspritzanlage für den „Gutbrod Superior“ (1951) konstruierte, die erste serienmäßige Benzineinspritzung im Automobilbau. 1952 kam er zusammen mit einem Team von Spezialisten aus dem Flugmotorenbau zurück. Göschel, der 1972 Nachfolger von Rudolf Uhlenhaut wurde, entwickelte 1953/54 maßgeblich die Einspritzanlage des W 196.
Der Kraftstoff des W 196 war kein handelsübliches Benzin, sondern ein von Esso zugeliefertes Spezialgemisch mit der Bezeichnung RD1. Die Zutaten waren, soweit bekannt:
45 % Benzol
25 % Methanol
25 % hochoktaniges Benzin
3 % Azeton
2 % Nitrobenzol
Da dieses Gemisch Tank und Kraftstoff-Leitungen angriff, mussten diese nach jedem Einsatz mit „normalem“ Benzin ausgewaschen werden, um Korrosion zu verhindern. Der Achtzylinder-Reihenmotor entwickelte zunächst rund 260 PS.
Um den Fahrzeugschwerpunkt möglichst niedrig zu halten, war der Motor um 53° nach rechts geneigt und nach links versetzt eingebaut.
Die Kraft wurde über eine Einscheibentrockenkupplung (Durchmesser 240 mm) und eine von vorn links schräg zur Mitte versetzten Kardanwelle unter dem Fahrersitz hindurch zum Achsantrieb übertragen. Das 5-Gang-Schaltgetriebe (zweiter bis fünfter Gang synchronisiert) war mit dem Achsantrieb verblockt und hinter diesem platziert. Die Abstufung von Schaltgetriebe und Achsantrieb (Sperrdifferential) konnten den jeweiligen Rennstrecken angepasst werden.
Fahrgestell
Das Fahrgestell des W 196 bestand – wie damals üblich – im Wesentlichen aus einem Gitterrohrrahmen, dessen einzelne Rohre einen Durchmesser von 20 und 25 mm hatten (Wandstärke 0,8 und 1,0 mm). In diesem Rahmen befanden sich Motor, Kühler, Schaltgetriebe und Achsantrieb, Bremsen sowie Kraftstofftank (bis zu 220 Liter) und Öltank (40 Liter). Die Vorderräder waren an Doppelquerlenkern aufgehängt; hinten war eine Schwingachse bzw. Eingelenkpendelachse mit tief gelegtem Drehpunkt eingebaut. Um den Drehpunkt an die Längsachse des Fahrzeugs zu verlagern und dadurch die Pendelarme zu verlängern, schwingt bei dieser Konstruktion das Achsgehäuse (Differenzialgetriebe) mit.
Der W 196 hatte vorn und hinten längs liegende Drehstabfedern und hydraulische Teleskopstoßdämpfer sowie einen hydraulischen Lenkungsdämpfer. Zur Verringerung der ungefederten Massen lagen die groß dimensionierten Trommelbremsen (Durchmesser vorn 350 mm, hinten 275 mm) innen, bei verkürztem Radstand (1955) vorn auch außen in den Rädern. Auf den Leichtmetallmänteln der Bremstrommeln waren quer zur Laufrichtung Rippen angebracht, die Kühlluft anziehen und Wärme ableiten sollten („Turbokühlung“).
Karosserie
Zur Senkung des Luftwiderstandes auf schnellen Kursen erhielt der W 196 zunächst anstatt der bei Einsitzern üblicherweise freistehenden Räder eine Vollverkleidung, vergleichbar mit den auf der Avus und bei Rekordfahrten eingesetzten Vorkriegsmodellen.
Die vollverkleidete Stromlinienkarosserie war jedoch unübersichtlich und relativ schwer, sodass auf engeren Kursen die ebenfalls geplante Monoposto-Variante eingesetzt wurde, der 1955 – bedingt durch eine Änderung der Einspritzanlage bzw. Verlegung des Staurohrs – die markante Luftansaughutze rechts auf der Motorhaube bekam (siehe Fotos). Dies war nötig geworden, nachdem im Herbst 1954 Blätter die Kühleröffnung und die dortige Ansaugöffnung verstopft hatten.
Die Karosseriebleche des W 196, die anfangs über Holzblöcken von Hand geformt wurden, bestanden aus Magnesium und Aluminium. Später wurden die Blechteile mit Metallformen hergestellt.
Technische Daten [Bearbeiten]W 196 Stromlinie Monoposto
Motor: 8-Zylinder-Reihenmotor (mit Mittelabtrieb)
Hubraum: 2496 cm³
Bohrung × Hub: 76 × 68,8 mm
Leistung: 189 kW = 257 PS (1954) bis 206 kW = 280 PS (Sommer 1955)
bei 1/min: 8250/min bzw. 8700/min
Max. Drehmoment bei 1/min: 247 Nm (25,2 mkp) bei 6300/min
Ventilsteuerung: obenliegende Nockenwelle (Ventile zwangsgesteuert)
Verdichtung: 9:1
Kühlung: Wasser
Getriebe: 5-Gang-Getriebe (plus Rückwärtsgang), Kulissenschaltung*
Radaufhängung vorn: Doppelquerlenker
Radaufhängung hinten: Eingelenk-Pendelachse mit tiefgelegtem Drehpunkt
Federung vorn und hinten: längs liegende Drehstäbe und Teleskopstoßdämpfer
Karosserie: Gitterrohrrahmen mit Aluminiumkarosserie
Spurweite vorn/hinten: 1330 / 1358 mm
Radstand: 2350 mm (auch 2210 und 2150 mm)
Reifen vorn/hinten: 6.00 × 16 / 7.00 × 16
Maße L × B × H: 4160 (mit Stromlinienkarosserie) × 1625 (ohne Auspuff) × 1040 mm
Trockengewicht: ca. 700 kg ca. 650 kg
Höchstgeschwindigkeit: ca. 280–290 km/h