BMW 328 Kamm Coupé ( 1940 )
in Mein Sammlung seit 04.08.2016
Informationen zum Vorbild:
Ein abruptes Ende
Der Schweizer Wunibald Irmin Erich Kamm war in den 1930er Jahren Professor für Kraftfahrtwesen und Fahrzeugmotoren an der Technischen Hochschule in Stuttgart. In dieser Funktion hatte er auch die gemeinnützige Stiftung Forschungsinstitut für Kraftfahrtwesen und Fahrzeugmotoren Stuttgart (FKFS) gegründet, was ihm eine gute Zusammenarbeit mit der Kraftfahrzeugindustrie ermöglichte. Kamm´s großer Vorteil war, dass er über einen Windkanal verfügte, der es ihm erlaubte, an Autos in Originalgröße deren Strömungsverhalten zu erkunden. Im Zuge seiner Versuche gelangte Wunibald Kamm zu einer eigens ausgeklügelten Form der Heckgestaltung, die zu einer minimierten Luftverwirbelung führte und dem Auto zu einer erhöhten Endgeschwindigkeit verhalf.
Wunibald Kamm modellierte die Heckform mit einem abrupt, fast steil abfallendes Ende und deutete dabei eine Tropfenform an. Auch wenn die Optik gewöhnungsbedürftig aussah, unter aerodynamischen Gesichtspunkten war seine Heckversion revolutionär und fand schon bald unter dem Namen Kamm-Heck seinen festen Platz in der Kraftfahrzeuggeschichte. Realisiert hatte Professor Kamm seine Idee an einem BMW 328. Im Hause BMW versprachen sich die Führungskräfte von dem Einzelstück außerordentliche Fahrleistungen, denn sie optimierten das Fahrwerk des Gitterrohrrahmens dahingehend, dass es aus dem leichten Werkstoff Elektron gefertigt wurde, wodurch er nur noch 30 kg auf die Waage brachte. Darüber hinaus wurde auch das serienmäßige 6-Zylindertriebwerk, das normalerweise über 90 PS verfügte, auf den Spitzenwert von stattliche 136 PS gesteigert und war damit 230 km/h schnell. Seinen großen Auftritt sollte der Wagen zusammen mit vier weiteren 328ern bei der legendären Mille Miglia im Jahre 1940 feiern. Der Kamm-BMW 328 wurde von Conte Giovanni Lurani/Franco Cortese gesteuert. Allerdings konnte der Wagen seine Leistungsfähigkeit nicht unter Beweis stellen, denn in der siebten Runde fiel er wegen technischen Defekts vorzeitig aus.
Damit blieb dem Kamm´schen BMW der ganz große Auftritt und der Erfolg in der vorerst letzten Mille Miglia verwehrt. Weitere Chancen seine Sportlichkeit unter Beweis zu stellen bekam das Unikat nicht mehr, denn der Zweite Weltkrieg zwang dazu, den Motorsport vollkommen einzustellen.
Alle BMW Rennsportkarosserien, die bei der Mille Miglia 1940 Geschichte geschrieben haben, begeistern die Menschen heute noch überall, wo sie auftauchen. Nur einer aus der silbernen BMW Rennsportflotte fehlte bislang: Das BMW 328 Kamm Coupé. Benannt wurde es nach dem deutschen Aerodynamik-Pionier Wunibald Kamm. Die Spur des Wagens verliert sich im Jahr 1953. Jetzt hat BMW Classic den Rennwagen neu aufbauen lassen und damit pünktlich zum 70. Jahrestag des Sieges von BMW bei der Mille Miglia einen wichtigen Meilenstein nicht nur in der Motorsportgeschichte sondern auch in der Geschichte der Fahrzeugaerodynamik wieder zum Leben erweckt. „Wir sind sehr stolz, dass wir dieses Fahrzeug der Öffentlichkeit wieder präsentieren können“, so Karl Baumer, Leiter der BMW Classic. „Das waren große technische Herausforderungen, viele Diskussionen und unzählige Stunden der Recherche, aber wenn man das Auto dann zum ersten Mal sieht, dann fühlt man, mit welcher Passion und Kennerschaft alle Beteiligten zu Werke gegangen sind – damals wie heute.“
Bei BMW war man sich der Einmaligkeit der Mille Miglia Fahrzeuge schon bald nach dem Sieg 1940 bewusst und so schaffte man sie schon bald aus München weg, um sie auf dem Land versteckt vor der Zerstörung im Krieg zu schützen. Das gelang auch, denn alle fünf Fahrzeuge überlebten nahezu unversehrt. Es waren allerdings die Wirren der frühen Nachkriegszeit, die dazu führten, dass BMW die Wagen verlor. Einige alliierte Soldaten waren bereits in ganz Deutschland auf der Suche nach seltenen Rennfahrzeugen. Und so kam es, dass die drei Mille Miglia Roadster nach Russland, England und Amerika gingen. Das siegreiche Touring-Coupé, zunächst in der Hand der Amerikaner, wurde durch einen leitenden BMW Mitarbeiter gerettet. Er nahm es aber bei seiner Auswanderung ebenfalls mit über den großen Teich.
Lediglich das Kamm-Coupé blieb in Deutschland. Ernst Loof, der frühere BMW Rennleiter, hatte es für sich gesichert und nutzte es als Privatwagen. Mittlerweile war er selbst zum Autohersteller geworden und versorgte das aufstrebende Nachkriegsdeutschland mit den schnellen Veritas Rennsportwagen. Immer in finanziellen Nöten, musste er sich nach einigen Jahren von dem Schmuckstück trennen. Ein langes Leben unter seinem neuen Besitzer war dem Kamm-Coupé allerdings nicht beschieden, denn schon Anfang der 50er Jahre wurde es nach einem Unfall verschrottet.
Über den historischen Wert dieses einmaligen Fahrzeugs gab es keinen Zweifel, als BMW Mitte der 90er Jahre anfing, durch die Gründung der „BMW Mobile Tradition“, die Aufarbeitung der eigenen Geschichte in größerem Rahmen zu organisieren. Pläne zu einem Nachbau des Kamm-Coupés waren schnell geboren. Doch die Wiederherstellung gestaltete sich schwierig, denn es gab keinerlei Konstruktionsunterlagen darüber, auch der Bestand an historischen Fotos war gering. Unter tatkräftiger Mithilfe eines Münchner Privatsammlers gelang es jedoch, nicht nur einen größeren Bestand an Fotos zusammen zu tragen, die das Fahrzeug in verschiedensten Perspektiven zeigten, auch standen nun wieder genügend Aufnahmen der eigentlichen Rohrrahmen-Konstruktion zur Verfügung.
Nun ging es an die schwierige Aufgabe, aus den vorhanden Informationen das Abbild eines Gesamtfahrzeugs zu formen. Einige Computerspezialisten in der Designabteilung nahmen die Herausforderung an. Zunächst wurden die aussagekräftigsten Fotos gescannt, um als Basis in einem 3D-Geometrieprogramm zu dienen. Dann wurden die einzigen sicheren Konstanten wie Felgendurchmesser, Einpresstiefe, Größe der Scheinwerfer, Türgriffe, Flügelmuttern, Winker und BMW-Embleme eingearbeitet, bis sie in jeder Projektion am gleichen Platz standen. Jedes Bild ergab dann weitere Bezugspunkte für Radausschnitte, Fenster und andere Teile in Bezug auf die festgelegten Konstanten. Nach und nach verdichtete sich die Information, bis sich ein virtuelles Volumenmodell ergab, in dem jedes Detail mit jeder Ansicht des Fahrzeuges übereinstimmte. Daraus wurde ein Fräsprogramm generiert, das mittels einer 5-Achsen-Fräsmaschine aus einem riesigen hochverdichteten Schaumblock ein Modell in Originalgröße heraus fräste.
Ein Restaurator wurde dann damit beauftragt, ein originales BMW Chassis um 20 cm zu verlängern und einen Stahl-Gitterrohrrahmen nach den Fotovorlagen zu bauen. Nach kurzer Zeit wurde das Projekt allerdings zunächst zurückgestellt.
Im Rahmen der Konzeption für das Neue BMW Museum kam die Idee auf, den filigranen Elektron-Gitterrohrrahmen des Kamm-Coupés als Demonstrationsobjekt für den Bereich „Leichtbau“ wieder herzustellen. Mit Hilfe eines Spezialisten aus dem Münchner Umland gelang es auch, eine genaue Kopie des ursprünglichen Gitterrohrrahmens zu bauen. Als Material wählte man Aluminium anstelle des ursprünglichen Elektrons und kam damit gewichtmäßig dem Original schon sehr nahe. Obwohl dieser Ausstellungs-Rahmen nie dazu gedacht war, irgendwann zu einem Fahrzeug komplettiert zu werden, blieb doch der Gedanke weiterhin lebendig.
Ein Projekt der Meisterschule für Karosserie- und Fahrzeugbau Leipzig-Leisnig-Erlbach in Zusammenarbeit mit dem BMW Werk in Leipzig brachte dann den Stein ins Rollen.
Geplant war ursprünglich, den vorhandenen Stahl-Gitterrohrrahmen mit Aluminiumblechen zu beplanken, um zumindest das äußere Erscheinungsbild des Fahrzeugs wieder herzustellen. An der Meisterschule fertigte man Abdrücke des Schaummodells, um darin die Karosseriebleche der Außenhaut zu formen. Das fertig gestellte Karosseriemodell dient dem BMW Werk in Leipzig seitdem als Ausstellungsstück.
Im Rahmen des anstehenden 70-jährigen Jubiläums des Mille Miglia-Sieges war man bei „BMW Classic“ dazu entschlossen, den Plan eines Wiederaufbaues nun zu realisieren. Es bedurfte allerdings ausgewiesener Spezialisten, um aus den verfügbaren Einzelteilen tatsächlich ein fahrfähiges Auto erstehen zu lassen. Nach den positiven Erfahrungen bei der Restaurierung des BMW 328 Touring-Coupés und des Mille Miglia Roadsters für das Neue BMW Museum, musste hier die Wahl auf den Restaurator René Große aus Wusterwitz in Brandenburg fallen.
Er nahm das Schaummodell als Basis für einen Abdruck in GFK, das mit Holzspanten zu einem stabilen, mittig teilbaren Gehäuse geformt wurde. In diese Halbschalen hinein wurden die Rohre für den Gitterrohrrahmen mit 25 mm Durchmesser aus einer kaltaushärtbaren Aluminium-Legierung eingepasst. Dies musste mit äußerster Präzision erfolgen, denn an der Außenhaut wären später keine Korrekturen mehr möglich gewesen. Auf der Waage sollte sich zeigen, dass man sich dem ursprünglichen Wert von 30 kg Gewicht auch hier angenähert hatte.
Für die Außenhaut verwendete man Teile eines zweiten Satzes Karosseriebleche aus Reinaluminium, die von der Meisterschule gefertigt worden waren. Dazu kamen noch alle neuanzufertigenden Bleche im Innenbereich, wie innere Kotflügel, Spritzwand, der doppelte Karosserieboden, Armaturenbrett und Tank, die in die vorhandene Form integriert werden mussten.
So forderte die Anpassung an den Gitterrohrrahmen das ganze Geschick und die Erfahrung der Karosseriebauer aus René Großes Team. Ein interessantes konstruktives Detail waren die 40 mm breiten Aluminiumstreifen, die an den Außenkanten der Blechhaut auf dem Rohrrahmen verschweißt waren. Um diese wurde die Außenhaut auf wenigen Millimetern Breite nach innen umgebörtelt, um so auch optisch filigrane Kanten an der Motorhaube, den Fenstern, Türen und Radkästen zu erhalten. Dieses Detail, ebenso wie die Konstruktion des Haubenscharniers und der Türscharniere hatte sich BMW einst patentieren lassen, so dass es dafür Zeichnungen gab, nach denen man die Teile so originalgetreu wie nur möglich nachbauen konnte.
Weitere Herausforderungen waren die technischen Veränderungen, die das Kamm-Coupé von seinen Brüdern aus der Serie unterschied, wie nach hinten versetzter Kühler, Motor und Getriebe, eine modifizierte Hinterachse, sowie eine Vielzahl weiterer Veränderungen, die eine aufwändige Kleinarbeit nach sich zogen.
Im März 2010 war es dann endlich so weit: das BMW 328 Kamm-Coupé wurde in einer kleinen Zeremonie an die „BMW Classic“ übergeben. Viel Zeit war nicht mehr geblieben, um das neu erstandene Rennfahrzeug auf seinen großen Einsatz vorzubereiten: die Teilnahme an der Mille Miglia 2010 – 70 Jahre nach dem denkwürdigen Ereignis im Jahre 1940. (BMW 328 Kamm Rennlimousine (Replica 2010 ).
Geschichte In enger Zusammenarbeit mit dem Stromlinien-Pionier
Professor Wunibald Kamm entwickelte BMW einen
Limousinenaufbau in Stromlinienform auf der Basis des
Sportwagens BMW 328. Ein Gitterrohrrahmen aus Elektron,
der nur 30 kg wog, wurde auf das um 20 cm verlängerte
Fahrgestell montiert. Das mit einer Aluminiumkarosserie
versehene Coupé war sogar leichter als der Roadster. Der am verkleinerten Windkanal-Modell gemessene Cw-Wert von 0,25 war sensationell, die Höchstge- schwindigkeit lag bei 230 km/h.
Bei seinem ersten Renneinsatz bei der Mille Miglia 1940
mussten die italienischen Fahrer aufgrund eines geringen
technischen Defektes aufgeben. Beim Rundstreckenrennen
in Hockenheim 1947 konnte Karl Kling den einzigen Sieg auf
dem Kamm-Coupé erzielen.
Baujahr 1940
Fahrer Conte Giovanni Lurani, Franco Cortese
Technische Daten
Motor 6-Zylinder-Reihenmotor
Hubraum 1971 ccm
Bohrung x Hub 66 x 96 mm
Leistung 136 PS bei 6000 U/min
Getriebe Viergang-Mittelschaltung
Bremsen Alfin-Trommelbremsen, belüftete
Magnesiumankerplatten
Gewicht 760 kg
Höchstgeschwindigkeit 230 km/h www.press.bmwgroup.com